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Gedenken an Pogromnacht in Weener

Sichtlich berührt waren die Besucher der Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht am Donnerstagabend in Weener. Vor der Menora am Standort der ehemaligen Synagoge in der Westerstraße gedachten etwa 150 Teilnehmer den aus Weener stammenden durch die Nationalsozialisten ermordeten Juden. Wie jedes Jahr am 9. November ist der Anlass dabei die Pogromnacht von 1938, als auch in Weener die Synagoge in Flammen aufging.

Anny Kaufmann, Vorsitzende des Arbeitskreises Synagogenbrand Weener, ging in ihrer Ansprache auf die aktuelle weltpolitische Entwicklung im Nahen Osten ein. „Mir fehlen die Worte“, so Anny Kaufmann angesichts des Angriffskrieges der Hamas auf Israel. In ihrer Rede thematisierte sie auch die Stolperstein-Verlegungen in Weener. Erst im Oktober waren die letzten 26 Stolpersteine in Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Mitbürger verlegt worden.

Bürgermeister Heiko Abbas unterstrich ebenfalls die Bedeutung der gelebten Erinnerungs- und Gedenkkultur. Er erinnerte in seiner Rede an das Schicksal von Maurice Windmüller. Er wurde am 14. Juli 1942 geboren und hatte familiäre Verbindungen nach Weener. Nur kurz nach der Geburt wurde Maurice Windmüller im Alter von nur vier Monaten in Groningen versteckt – weil seine Eltern erst in das Lager Westerbork verschleppt und dann ins Vernichtungslager Ausschwitz deportiert wurden. Dort wurden sie kurze Zeit später ermordet. Aus den Lagerakten von Westerbork geht hervor, dass auch Maurice dort ankam – am 23. April 1943, im Alter von nur zehn Monaten. Im Alter von 19 Monaten wird auch er nach Ausschwitz verschleppt und dort nach Ankunft sofort ermordet. „Dieses Leid“, so Bürgermeister Abbas, „es raubt uns fast den Atem, es verschlägt uns die Sprache und treibt uns die Tränen in die Augen. Und doch müssen wir uns dieses Leid sechs-millionenfach vorstellen.“

Und immer noch stelle sich die Frage: Wie konnten die Menschen damals so etwas tun? „Es beginnt mit einem Wir gegen Die. Es beginnt mit der Ausgrenzung von Minderheiten und der Verrohung der Sprache. Und es endet mit Ausschwitz“, betonte Abbas. „Und genau darum stehen wir heute hier. Denn wir werden das nicht zulassen, wir sagen nein, wenn andere Menschen ausgegrenzt werden, wenn Minderheiten diffamiert und diskriminiert werden. Denn die Menschenwürde ist nicht verhandelbar.“

Durch die Errichtung der neuen Bücherei mit Begegnungsstätte werde auch künftig die Erinnerung wach und lebendig gehalten. Dem jüdischen Leben wird so wieder ein sichtbarer Platz im Zentrum der Stadt Weener gegeben. „Denn das jüdische Leben gehört zu Weener, ist Teil der städtischen Geschichte und Kultur“, so Abbas.

Im Anschluss an die Ansprache von Pastorin Gretchen Ihmels-Albe von der evangelisch-reformierten Gemeinde Kirchborgum legten Vertreter von Politik, Verwaltung und des Arbeitskreises Kränze nieder und gedachten in aller Stille den Opfern der Nazis. Anschließend wurden die Namen der aus Weener stammenden, durch die Nationalsozialisten ermordeten Mitbürger jüdischen Glaubens verlesen. Nach knapp einer Stunde verließen die Teilnehmer die Gedenkveranstaltung – viele sehr berührt und nachdenklich.